20.06.2023

Digitaler Justizarbeitsplatz Österreich als JAA für die Schweizer Justiz

Die Leitungsorgane des Projekts Justitia 4.0 haben entschieden, den Schweizer Justizbehörden eine helvetisierte Version des digitalen Justizarbeitsplatzes Österreich (DJAP) als Justizakte-Applikation (JAA) zur Verfügung zu stellen. Eine JAA ist Voraussetzung, dass die Justizbehörden ihre Akten digital bearbeiten und verwalten können.

Staatsanwaltschaften und Gerichte werden ihre Verfahren künftig digital führen, die elektronische Akte wird die führende Akte in den Justizbehörden sein. Sie ist Voraussetzung, damit der elektronische Rechtsverkehr und die elektronische Akteneinsicht über die sichere Plattform «Justitia.Swiss» möglich werden. So sieht es der Entwurf zum Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) vor. Das Projekt Justitia 4.0 hat deshalb von den Justizbehörden nicht nur den Auftrag, die sichere Plattform «Justitia.Swiss» aufzubauen, sondern auch eine technische Lösung für das effiziente und nutzerfreundliche Arbeiten mit der digitalen Akte zu entwickeln – die eJustizakte-Applikation (JAA).

Nach der Analyse von zahlreichen in- und ausländischen Lösungen sowie einem Vergleich zwischen einer Marktlösung und dem digitalen Justizarbeitsplatz Österreich, hat sich nach dem Projektausschuss am 19. Juni 2023 auch der Steuerungsausschuss von Justitia 4.0 entschieden, den DJAP als JAA-Lösung den Justizbehörden zur Verfügung zu stellen.

 

Der digitale Justizarbeitsplatz Österreich (DJAP)

Der DJAP wird im Rahmen des Projekts "Justiz 3.0" seit 2014 als zentrale Justizakte-Applikation der österreichischen Justiz entwickelt.  Heute ist der DJAP bei rund 7500 Arbeitsplätzen in der Zivil- und in der Verwaltungsjustiz im produktiven Einsatz, seit 2021 auch in der Strafjustiz sowie im Justizvollzug. Aktuell nutzen bereits mehr als 80% der Richterinnen und Richter sowie 97% der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte den digitalen Justizarbeitsplatz. Es wurden bisher mehr als 1 Million digitale Akten und mehr als 300'000 Verhandlungen mit dem DJAP bearbeitet und geführt.

Der DJAP wurde durch das Projekt Justitia 4.0 mittels einer Machbarkeitsstudie eingehend analysiert. Die Kantone Aargau, Bern und Genf haben die Lösung im Rahmen eines Proof of Concept getestet und die Machbarkeit einer "Helvetisierung" nachgewiesen. Der DJAP mit seinem Akten- und Taskmanagementsystem liess sich mit den verschiedenen Fachapplikationen (Juris, Tribuna, Eigenentwicklung) integrieren und die Mehrsprachigkeit der wichtigsten Masken des Systems konnte aufgezeigt werden. Die Benutzerfreundlichkeit wurde von der grossen Mehrheit der Fachtesterinnen und Fachtester als gut bis sehr gut beurteilt. Der Source Code der Lösung wurde von der Università della Svizzera Italiana (USI) einem Assessment unterzogen und für gut befunden. 

Die Studienpartner kamen zum Schluss, dass der DJAP durch hohe Funktionalität, guten Komfort für die Benutzenden und eine moderne Architektur überzeugt.  Auch die neusten Umfrageresultate zum DJAP vom März 2022 bei Gerichten und Staatsanwaltschaften in Österreich (Auswertung von 1035 Antworten) zeigen ein sehr positives Resultat. 79.5% der Teilnehmenden beurteilten den DJAP als gut oder sehr gut.

"Mit dem DJAP setzt die Schweizer Justiz auf eine in der österreichischen Justiz bewährte und als sehr nutzerfreundlich bewertete JAA mit hohem Reifegrad. Die zugesicherte Unterstützung aus Österreich verleiht der Einführung einer JAA in der Anfangsphase zusätzlichen Schub", gibt sich Jacques Bühler, Gesamtprojektleiter Justitia 4.0 überzeugt.

 

Nächste Schritte

Nach den klaren Entscheiden der Leitungsgremien ist das Projektteam aktuell daran, den Projektauftrag zu schärfen und eine Geschäftsorganisation für die Pilotphase zu definieren, damit diese möglichst bald aufgebaut werden kann. Gleichzeitig wird ein Betriebspartner für die Pilotphase gesucht. Die österreichische Justiz ist bereit, in der ersten Phase die Übernahmen des DJAP auch mit personellen Ressourcen stark zu unterstützen. Die Pilotierung ist für die zweite Hälfte 2024 geplant, idealerweise mit den Kantonen, welche sich an den Proofs of Concept beteiligt haben. Die Helvetisierung und die Pilotierung sind in den Projektkosten von CHF 39 Millionen enthalten. Die Betriebs- und Weiterentwicklungskosten werden dann stark von der Anzahl Nutzenden des DJAP abhängen. Die Justizbehörden müssen sich bis Ende 2023 in einer Absichtserklärung dahingehend äussern, ob sie den DJAP übernehmen wollen oder eine eigene Lösung entwickeln bzw. kaufen möchten. 

 

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