Basis des Projekts Justitia 4.0

 

Das Projekt Justitia 4.0 zielt darauf ab, die heutigen Papierakten in der Schweizer Justiz durch elektronische Dossiers zu ersetzen und die elektronische Kommunikation zwischen Verfahrensbeteiligten und Justizbehörden zu fördern. Verfahrensbeteiligte sollen in Zukunft die zentrale Plattform «Justitia.Swiss» für den elektronischen Rechtsverkehr sowie die Akteneinsicht nutzen. Mit einer eJustizakte-Applikation wird zudem sichergestellt, dass Justizbehörden elektronische Akten effizient verwalten, bearbeiten und übermitteln können. Das Projekt wird von den Gerichten, den Staatsanwaltschaften und der Anwaltschaft gemeinsam getragen.

Grundlegendes zu Justitia 4.0

Die Vision des elektronischen Rechtsverkehrs

Dateien (elektronische Dokumente und weitere Dateien) werden in allen Verfahrentypen,  Zivil,- Straf- und Verwaltungsgerichtsverfahren durch alle Beteiligten verwendet und medienbruchfrei ausgetauscht. Die Vision zum elektronischen Rechtsverkehr in der Schweiz verfolgt verschiedene Ziele:

  • Der elektronische Rechtsverkehr inkl. Akteneinsicht wird flächendeckend über alle föderalen Stufen und Instanzen eingeführt.
  • Die Justizbehörden führen die Verfahrensakten ab Beginn des Verfahrens und bis zum Archivieren elektronisch.
  • Die elektronische Justizakte wird als massgebende und rechtsgültige Akte etabliert.
Wie kam das Projekt Justitia 4.0 zustande?

In Erfüllung der Motion von Ständerat Pirmin Bischof vom 12. Dezember 2012 verabschiedete der Bundesrat Ende 2015 einen Bericht zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs. Dieser stellte fest, dass die elektronische Aktenführung – bestehend aus elektronischer Fallbearbeitung und elektronischem Dossier – nur nutzbringend eingeführt werden kann, wenn auch die vor- und nachgelagerten Abläufe elektronisch abgewickelt werden. Gleichzeitig seien elektronische Akten eine Bedingung für eine effiziente elektronische Akteneinsicht (eAE). Der Bericht erwähnte weiter, die effizienteste Variante, möglichst rasch und langfristig auch am kostengünstigsten zu einer einheitlichen eAE-Lösung zu kommen, wäre die Entwicklung einer gemeinsamen Informatiklösung für alle Schweizer Gerichte.

Warum gab es keine Bundeslösung?

Nach einer groben Kosteneinschätzung und im Hinblick auf die Sparbeschlüsse des Bundesrates, verzichtete dieser darauf, die Möglichkeit einer Bundeslösung zur Realisierung eines gemeinsamen schweizerischen Systems weiter zu vertiefen. Gefordert sind aufgrund der Verwaltungsautonomie die eidgenössischen und kantonalen Gerichte sowie die Strafverfolgungsbehörden, namentlich die Bundesanwaltschaft. Eine wichtige Rolle müssen ausserdem die Anwaltschaft und die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) spielen. Nach dem Bericht des Bundesrats 2015 war klar: Es wird keine Bundeslösung geben, der Ball liegt bei den Gerichten, den Kantonen und dem Bundesgericht.

Justizbeteiligte nehmen Digitalisierung in die Hand

Nach dem Nein-Entscheid des Bundes waren die Justizbeteiligten gefragt. Im Verlauf des Jahres 2016 ergriff das Bundesgericht die nötigen Initiativen zur Förderung des digitalen Wandels der Justiz. Es strebte an, zusammen mit den kantonalen Obergerichten auf freiwilliger Basis eine gemeinsame Lösung für das eDossier und den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) zu schaffen. Im September desselben Jahres legte die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) eine Projektskizze «eJus2020» zur Einführung der elektronischen Aktenführung vor. Das Ziel dieser Projektskizze bestand darin, die elektronische Akte als nationale E-Government-Standards (eCH-Standard) zu definieren. Ausserdem sollten auf Stufe Gesetz die nötigen Rechtsgrundlagen für ein Obligatorium geschafft werden, wonach die Justizbehörden (Gerichte, Staatsanwaltschaften) und Parteivertreter zur vollständigen elektronischen Zusammenarbeit verpflichtet werden.

Beschlüsse legen Grundlage für Justitia 4.0

An der Justizkonferenz vom 21. Oktober 2016 stimmten die Präsidentinnen und Präsidenten der kantonalen Obergerichte und des Bundesgerichts im allgemeinen Konsens zum elektronischen Rechtsverkehr zu. Daraus entstand ein öffentlich-rechtlicher Zusammenarbeitsvertrag. Die KKJPD beschloss an ihrer Herbstversammlung vom 17. November 2016 in Anwesenheit des Bundesgerichtspräsidenten ebenfalls einstimmig, den Bundesrat zu ersuchen, die rechtliche Grundlage für die obligatorische Einführung von E-Justice zu schaffen.

Mit den Beschlüssen der Justizkonferenz und der KKJPD waren die Grundlagen für das zukünftige Projekt Justitia 4.0 gelegt und eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aller unterzeichnenden Kantone wurde ins Leben gerufen.

Abgrenzung

Die Registerverwaltung (Strafregister, Handelsregister, Zivilstandsregister usw.), die aussergerichtlichen Verfahrensschritte bei Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren sowie die Verwaltungsverfahren bei Bund und Kantonen sind nicht Bestandteil des Projektes Justitia 4.0.