Foto: Julia Reidemeister und Marilena Baiatu
Sowohl die Baselbieter Gerichte als auch die Staatsanwaltschaft haben die interne Kommunikation von Beginn an als integralen Bestandteil ihrer Digitalisierungsprojekte betrachtet und diese konzeptionell definiert. Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft definierte bereits vor über einem Jahr eine übergeordnete Kommunikationsstrategie für die Umsetzung von Justitia 4.0 mit dem Credo, Mitarbeitende Schritt für Schritt mitzunehmen und nicht mit Informationen zu überfluten. So haben sie bereits ein Jahr vor der Pilotierung im Rahmen eines Mitarbeitendenanlasses die Plattform justitia.swiss vorgestellt und eine Woche vor dem Start des Pilots mit einem Info-Letter "eSTAWA" über die spürbaren Änderungen der alltäglichen Arbeitsabläufe, die alle Mitarbeitenden betreffen, informiert. Auch die Gerichte organisierten Informationsanlässe, an welchen die Mitarbeitenden die Plattform justitia.swiss testen konnten und veranstalteten "Brown Bag Lunches", an denen die Funktionen der Plattform präsentiert und Fragen der Mitarbeitenden beantwortet wurden.
Für die am Piloten beteiligten Mitarbeitenden gab es spezifische Vorbereitungen. Bei der Staatsanwaltschaft wird die Plattform vor allem von den Mitarbeitenden der Kanzlei bedient, erklärt Marilena Baiatu. Für sie seien massgeschneiderte Inhalte vorbereitet worden, um sie zu schulen und ihnen Anleitungen zur Verfügung zu stellen, die bei der Nutzung der Plattform helfen. Aktuell steht das Kernteam Digitale Transformation in engem Austausch mit dem Kanzleipersonal und den Verfahrensleitungen, um Feedback einzuholen und definierte Abläufe allenfalls anzupassen. Auch die Gerichte boten interne Schulungen zur Nutzung der Plattform justitia.swiss an, redigierten Anleitungen und richteten die elektronische Signatur ein. Ein steter Austausch des Projektteams mit den betroffenen Mitarbeitenden, interne Newsletter sowie Informationsveranstaltungen wie "Brown Bag Lunches" für alle interessierten Mitarbeitenden sorgten für Transparenz, erklärt Julia Reidemeister.
Wir glauben daran, dass wir nur erfolgreich sind, wenn wir den Wandel zusammen gestalten und die meist validen Widerstände im Prozess berücksichtigen.
Das Hauptziel der Kommunikationsstrategie beider Institutionen ist es, möglichst alle Mitarbeitenden – auch jene, die der Digitalisierung kritisch gegenüberstehen – mitzunehmen und einzubeziehen. Julia Reidemeister sagt: "Wir glauben daran, dass wir nur erfolgreich sind, wenn wir den Wandel zusammen gestalten und die meist validen Widerstände im Prozess berücksichtigen." Marilena Baiatu von der Staatsanwaltschaft betont, dass Digitalisierungsthemen oft komplex, sehr technisch und für viele von uns abstrakt seien. "Unser kommunikativer Grundsatz, der sich bis jetzt gut bewährt hat, lautet deshalb 'einfach, verständlich und alltagsnah'». Gerade bei komplexen digitalen Projekten sei es wichtig, die Mitarbeitenden kommunikativ dort abzuholen, wo sie die Änderungen wirklich konkret spüren werden. Dabei werden die Herausforderungen des digitalen Wandels offen kommuniziert, gleichzeitig aber der Zweck und die konkreten Vorteile der Neuerungen aufgezeigt. Die Staatsanwaltschaft nimmt die Bedenken und Inputs der Mitarbeitenden ernst, bearbeitet diese im Kernteam und macht die gewonnenen Erkenntnisse wiederum allen Mitarbeitenden zugänglich.
Führungspersonen und Ambassadoren spielen eine zentrale Rolle in der internen Kommunikation. Die Gerichte haben bereits vor einem Jahr "Change Agents" je Gericht und Abteilung ins Leben gerufen, die vor Ort den Puls fühlen und eine Vorbildfunktion einnehmen sollen. Sie wirken in Teilprojekten mit und stehen in engem Austausch mit dem Projektteam. Ihre Rückmeldungen und Fragestellungen seien für die Kommunikation sehr wichtig, meint Julia Reidemeister. Gleichzeitig sei die Haltung der Führungspersonen essenziell für die Akzeptanz des digitalen Wandels, weshalb diese aktiv in Dialog und Projektveranstaltungen eingebunden werden. Gleich sieht es Marilena Baiatu: "Meiner Erfahrung nach ist es absolut essentiell, dass unsere Leitungspersonen hinter dem digitalen Wandel stehen und wir alle – von den internen Ambassadorinnen und Ambassadoren über die Linie bis hin zum Kernteam – die anstehenden Veränderungen als Chance sehen und positiv über sie sprechen".
Beide Behörden setzen auf eine Kombination aus digitalen und persönlichen Kommunikationskanälen. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Kommunikationskanäle bereits weit vor dem Start der Umsetzung von Justitia 4.0 digitalisiert: Das "Stawa Wiki" – eine Art internes Wikipedia – dient als zentrale Wissensdatenbank und enthält auch Informationen zur Umsetzung von Justitia 4.0 sowie zur digitalen Transformation. Ergänzend dazu gibt es digitale Info-Letter ("Info Stawa", "eSTAWA"), in denen alle Änderungen, die die tägliche Arbeit betreffend und verbindlich sind, proaktiv kommuniziert werden. "In den Artikeln legen wir grossen Wert auf eine allgemeine Verständlichkeit und beschränken uns inhaltlich auf die absolut zentralen und zwingenden Punkte. Dank Links können interessierte Mitarbeitende jederzeit weitere Informationen auf unserem "Stawa Wiki" einsehen", erklärt Marilena Baiatu. "Bei der Vermittlung der ganz zentralen Botschaften setzen wir aber auch weiterhin auf persönliche Auftritte und Begegnungen. Unser Projektteam steht bei Fragen oder Unklarheiten immer gerne zur Verfügung. Und wer Fragen lieber schriftlich stellt, kann dies über eine spezielle Projekt-E-Mail-Adresse tun", erklärt Marilena Baiatu. Die Gerichte verschicken regelmässig Newsletter über den Projektstand. Informationen gibt es zudem im Q&A des Intranets und für Fragen wurde eine Mailbox eingerichtet. Das Co-Working des Projektteams vor Ort ermöglicht zudem den informellen Austausch. Nichts sei wichtiger als der persönliche und regelmässige Austausch zwischen Auftraggebern, dem Projektteam und den Organisationen, erklärt Julia Reidemeister. So hätten sich die freiwilligen Informationsanlässe, die Einführung von Change Agents und regelmässige Besuche von Projektvertretenden vor Ort sehr bewährt. Idealerweise hätten alle das Gefühl, dass sie einfach den Hörer in die Hand nehmen und anrufen könnten.
Die grosse Kunst ist, dass es uns gelingt, die Mitarbeitenden auf die Reise in die digitale Zukunft mitzunehmen. Nicht jede und jeder muss zwingend Feuer und Flamme für den digitalen Wandel sein, aber es muss uns gelingen, die Vorteile herauszustreichen, die wir dank vernetzten Tools künftig haben werden, ohne dass sich die Mitarbeitenden «überfahren» fühlen.
Die grösste Herausforderung in der internen Kommunikation des digitalen Wandels liegt im richtigen Mass, einer angemessenen Frequenz und einer passenden "Flughöhe" der Kommunikation. Sie darf nicht zu technisch sein, muss aber dennoch die Neuerungen vermitteln, die alle betreffen. Marilena Baiatu meint dazu: "Die grosse Kunst ist, dass es uns gelingt, die Mitarbeitenden auf die Reise in die digitale Zukunft mitzunehmen. Nicht jede und jeder muss zwingend Feuer und Flamme für den digitalen Wandel sein, aber es muss uns gelingen, die Vorteile herauszustreichen, die wir dank vernetzten Tools künftig haben werden, ohne dass sich die Mitarbeitenden «überfahren» fühlen." Eine offene, ehrliche und zielgruppengerechte Kommunikation spiele dabei eine entscheidende Rolle. Auch für Julia Reidemeister ist es wichtig, dass das Projektteam in ständigem Austausch mit den Mitarbeitenden ist und ein offenes Ohr für alle möglichen Fragen hat. Gerade das ungezwungene Format der Brown Bag Lunches habe viel Positives bewirkt. Zudem würden die am Piloten beteiligten Mitarbeitenden in die Kommunikation einbezogen mit Erfahrungsberichten oder Statements und konnten den Kolleginnen und Kollegen somit einen direkten Einblick in ihre aktuellen Tätigkeiten gewähren.
Beide Justizbehörden begegnen Sorgen und Widerstand der Mitarbeitenden offen und dialogorientiert. Die Gerichte thematisieren in Workshops, dass alle drei Rollen – Visionär, Kritiker und Macher – für ein erfolgreiches Projekt gleichermassen wichtig sind. Dies hat gemäss Julia Reidemeister dazu beigetragen, dass auch Kritik willkommen sei und die Mitarbeitenden ihre Sorgen oder Widerstand freier äussern können. Auch für die Staatsanwaltschaft ist klar, dass nicht alle Mitarbeitenden gleich begeistert von den bevorstehenden Änderungen sind und dies ist in Ordnung. Gleichzeitig zeigen sie aber auch auf, dass mit dem Inkraftreten des BEKJ professionelle Rechtsanwendende verpflichtet sein werden, digital zu kommunizieren. Bei ihrer Kommunikation erklären sie deshalb, warum die Änderungen vorgenommen werden und welche Vorteile künftig damit verbunden sein werden. Mitarbeitenden wird die Möglichkeit gegeben, Fragen, Anliegen und Sorgen einzubringen, die ernst genommen und beantwortet werden.
Die Pilotierung der Plattform justitia.swiss ist erst der Anfang. Bei den Gerichten wird bereits die Pilotierung der Justizakte-Applikation (JAA) vorbereitet, die noch dieses Jahr starten soll. "Die Erfahrungen aus der Pilotierung der Plattform justitia.swiss interessieren unsere Mitarbeitenden sehr und motivieren für die nächsten Schritte im digitalen Wandel", erzählt Julia Reidemeister. Auch die Staatsanwaltschaft wird mit der Pilotierung der JAA im Jahr 2026 starten. Auf die Frage, wie sich die Art der Kommunikation in einem zunehmen digitalen Justizumfeld ändert, meint Marilena Baiatu: " Wir merken bereits jetzt, dass wir viel mehr Infos über digitale Newsletter erhalten. Ich denke, dies wird künftig noch zunehmen. Gleichzeitig müssen wir auch sicherstellen, dass die für die Mitarbeitenden der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft zentralen Informationen – beispielsweise gesetzliche Änderungen oder Anpassungen von internen Arbeitsanweisungen – nicht in dieser Flut untergehen. Eine erfolgreiche Kommunikationsarbeit lässt sich daher nicht mehr auf «möglichst schnell, möglichst viele Infos» reduzieren, sondern zeichnet sich durch eine Fokussierung auf das Wesentliche bei gleichzeitiger Transparenz und eine zielgerichtete Auswahl der Kommunikationskanäle aus. Oft ist weniger mehr."
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